Guter Geschmack beginnt beim Einkaufen – nicht nur kulinarisch, sondern auch mit Blick auf Qualität und Werte. Daher sprechen Jan und ich immer wieder darüber, wie sehr man dem Bio-Siegel eigentlich vertrauen kann. Im Alltag greife ich (aus Gründen der Einfachheit) öfter mal zu abgepackten Bio-Produkten von den Eigenmarken großer Supermärkte – wie Edeka oder Rewe. Alnatura oder Denns, das hört man immer wieder, wären die bessere Wahl (sie liegen aber nicht immer auf meinem Weg). Ist das wirklich so?
Auf einer Veranstaltung vor einigen Monaten unterhielten wir uns einen ganzen Abend lang mit Hannes Jaenicke über Umwelt- und Ernährungsthemen. Und er sagte uns mit fester Überzeugung, dass man Demeter guten Gewissens kaufen kann. Darüber musste ich viel nachdenken, denn wer weiß es, wenn nicht er? Bio ist offensichtlich nicht gleich Bio. Aber worin unterscheiden sich die Siegel dann wirklich? Und wem können wir vertrauen?
Was bedeutet Bio eigentlich?
„Bio“ ist gesetzlich geregelt. Es bedeutet, dass keine künstlichen Elemente in die Wertschöpfungskette einfließen dürfen. Der Bauer verzichtet also auf sämtliche Hilfsmittel von außen, wie z. B. chemisch-synthetische Düngemittel. Stattdessen kommen organische Dünger wie Mist, Gülle und Kompost zum Einsatz. Ebenso wenig wie konventionelle Pflanzenschutzmittel dürfen die Landwirte ihre Lebensmittel bestrahlen oder gentechnisch veränderte Organismen einsetzen.
Bei der Verarbeitung ist die Verwendung von Zusatzstoffen limitiert. Geschmacksverstärker und Farb- und Konservierungsstoffe (künstlich) sind nicht erlaubt.
Wer übrigens konventionelle Produkte kauft und nach einfachen Mitteln sucht, um deren Rückstände zu reduzieren: ich habe in diesem Beitrag über das Waschen von Obst und Gemüse mit Natron gesprochen.
Woran erkenne ich Bio?
Alle innerhalb der EU biologisch erzeugten Produkte haben seit 2010 ein einheitliches Erkennungszeichen, das sogenannte EU-Bio-Logo.
Es gibt mittlerweile über 100 Bio-Siegel bzw. Öko-Label, jeder Rewe, Netto, Edeka etc. hat eine Bio-Eigenmarke. Wichtig zu wissen: das bei allen echten Bio-Produkten (egal welcher Marke) aufgedruckte EU-Bio-Logo (s.r.) ist nur der Mindeststandard. Inwieweit sich die deutschen Anbauverbände davon abheben, dazu komme ich gleich.

Wo Bio drauf steht ist Bio drin – kann ich mich darauf verlassen?
Wer in Deutschland Bio-Produkte herstellt, sie verkauft oder mit ihnen handelt (also egal ob Supermarkt, Importeur oder Hersteller), der muss sich bei einer zugelassenen Öko-Kontrollstelle anmelden. In Deutschland sind das private Unternehmen, die von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zugelassen werden. Die Öko-Kontrollstellen wiederum sind überwacht von den Kontrollbehörden der Bundesländer.
Das Besondere: Die EU-Öko-Verordnung gilt nicht nur für Produkte aus Europa – sondern auch für importierte Waren, sobald sie in der EU als „Bio“ verkauft werden sollen. Konkret bedeutet das: Selbst wenn die Banane aus Ecuador oder der Tee aus Indien kommt – wer sie in Deutschland als Bio-Produkt anbietet, muss nachweisen, dass die entsprechenden EU-Standards eingehalten wurden. Mindestens ein Mal im Jahr wird das überprüft. Zusätzlich gibt es unangekündigte Stichproben.
Auch wenn die EU-Öko-Verordnung grundsätzlich für alle Bio-Produkte gilt: Man muss natürlich wissen, dass Produkte bspw. China, Ägypten oder Ecuador deutlich schwieriger zuverlässig zu überwachen sind, als heimische Waren. Das liegt an der geografischen Distanz, an der oft fehlenden Transparenz hinsichtlich Lieferketten und dem Kontrollaufwand vor Ort. Zwar kann bei Verstößen das Bio-Zertifikat entzogen werden, aber gerade bei importierten Produkten ist ein gewisses Maß an Vorsicht angebracht. Die Gefahr für Betrug ist einfach wesentlich höher als in Mitteleuropa.
Was ist ökologische Tierhaltung?
Der Anbau von Getreide, Obst und Gemüse in Bio-Qualität ist für mich relativ gut nachvollziehbar, aber der Begriff „ökologische Tierhaltung“ verunsichert mich eher. Scheint ein Rind oder Huhn auf einem landwirtschaftlichen Biobetrieb lange kein so romantisches Leben im Grünen zu führen, wie ich mir das ausmale. Aber mal zu den Fakten: Grundsätzlich sieht die Bio-Tierhaltung für alle Tierarten eine artgemäße Haltung vor. Die Anforderungen an die Tierhaltung steigen im Gegensatz zur konventionellen Tierhaltung. Vorgeschrieben ist ein höheres Platzangebot und ein garantierter Auslauf an der frischen Luft. Die Landwirte dürfen weder prophylaktisch, noch systematisch Eingriffe bei ihren Tieren vornehmen oder ihnen Medikamente geben. Je nach Tierart gibt es noch zusätzliche Vorgaben, z.B. zum Einstreu, den Sitzstangen, der Beleuchtung, Wasserbecken, Wühlflächen etc.
Statt vereinzelt Kühen auf der Almweide und einer überschaubaren Anzahl an Hühnern auf einer saftig grünen Wiese sieht man in der Realität auch auf den Bio-Höfen oft riesige (Bio-)Ställe, aber kleinere Einzelgruppen. Bio ist nicht automatisch Idylle. Aber es ist ein System mit deutlich besseren Standards: tierfreundlicher, umwelt- und ressourcenschonender, transparenter. Wer sich für Bio entscheidet unterstützt nicht das perfekte Idealbild. Aber ein System, das bemüht ist, es besser zu machen.

Ein ganz großer Unterschied: die deutschen Anbauverbände
Es gibt drei große: Demeter, Bioland und Naturland. Die Unterschiede zwischen den drei Anbauverbänden sind nicht besonders groß, vor allem haben sie eine Gemeinsamkeit: sie haben sich selbst deutlich strengere Richtlinien gesetzt, als den Mindeststandard der EU mit ihrem Bio-Siegel. So muss bspw. der gesamte Betrieb ausschließlich ökologisch bzw. nach den Richtlinien des Verbands arbeiten. Bei Demeter gilt das sogar für sämtliche Familienmitglieder! Es kann also nicht bspw. der Papa einen ökologischen Betrieb leiten, aber die Tochter einen konventionellen. Jeder Hof muss Tiere halten, denn der Mist dient zum Düngen der Felder. Die Höfe müssen genügend Fläche haben, um Futter für die Tiere zu produzieren und deren Gülle auszubringen, ohne die Böden zu überdüngen. So wird berechnet, wie viel Tiere der Hof halten darf. Die drei Verbände unterziehen sich Tierwohlkontrollen und erlauben weniger Schweine und Hühner, als in der EU-Verordnung. Rinder und Kühe müssen während der Weideperiode auch draußen auf den Weiden stehen.
Die Besonderheit der Demeter-Philosophie
Demeter zeichnet sich insbesondere durch seine anthroposophische Ideologie aus (hier könnt ihr bspw. mehr lesen), die mich bei genauem Einlesen total fasziniert hat. Die Grundlage der Demeter-Landwirtschaft ist die sogenannte biodynamische Landwirtschaft. Sie basiert auf den Lehren von Rudolf Steiner – dem Begründer der Anthroposophie. Klingt erstmal abstrakt, meint aber im Kern: Der Hof wird nicht als reine Produktionsstätte betrachtet, sondern als lebendiger Organismus. Hier stehen Boden, Pflanzen, Tiere und Menschen miteinander in Beziehung.
Demeter-Landwirte arbeiten mit speziellen biologisch-dynamischen Präparaten (etwa aus Kräutern, Mist und Mineralien). Sie werden in homöopathischen Mengen auf die Felder ausgebracht und sollen den Boden beleben. Bei Tätigkeiten wie Säen, Pflanzen oder Ernten orientieren sich die Landwirte teilweise sogar an Mondphasen oder astrologischen Konstellationen. Das klingt etwas esoterisch, hat bei vielen Höfen aber zu bemerkenswert stabilen, gesunden Kreisläufen geführt. Und letztlich steht das für einen besonders achtsamen, regenerativen Umgang mit der Natur.
Auch wenn man nicht jede spirituelle Idee teilt, finde ich spannend, wie ganzheitlich hier gedacht wird: Es geht nicht nur um die Vermeidung von Pestiziden. Sondern um den Aufbau lebendiger Böden, artgerechte Tierhaltung und einen respektvollen, in sich geschlossenen Hofkreislauf.
Gesundheit neu gedacht
Seit Jahren wird diskutiert, ob Bio-Produkte wirklich gesünder sind als konventionelle. Auf den ersten Blick sind die Unterschiede bei Vitaminen oder Mineralstoffen laut Studien oft gering. Interessanter wird es bei den sogenannten sekundären Pflanzenstoffen, also natürlichen Substanzen. Die können entzündungshemmend, cholesterinsenkend oder antioxidativ wirken- Und hier schneiden Bioprodukte tatsächlich besser ab. Doch was für uns letztlich zählt, geht über Inhaltsstoffe hinaus: Bio bedeutet weniger Pestizide, mehr Achtsamkeit, transparentere Prozesse. Es geht um die Frage, wie etwas produziert wird – und welche Haltung dahintersteht.
Die größten Profiteure des biologischen Anbaus sind ohnehin nicht wir selbst – sondern Böden, Tiere, Wasser, Luft – unsere Umwelt. Wer heute bewusst einkauft, trifft nicht nur eine Entscheidung für sich, sondern für ein System, das langfristig gesünder ist.
Und das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis: Wenn wir beginnen, bewusst einzukaufen, entscheiden wir uns nicht nur für Qualität – sondern für eine Haltung.
Ich halte viel von kompromissloser Qualität – aber auch von Ehrlichkeit. Nicht jeder Einkauf gelingt perfekt, nicht jede Entscheidung fällt leicht. Für mich zählt, bewusst zu wählen, so oft es geht – ohne dogmatisch zu werden.
Wer Lust hat, sich schonungslos und ehrlich zu informieren und dabei sehr unangenehme Wahrheiten zu lesen, dem kann ich das Buch „Die große Sauerei“ von Hannes Jaenicke empfehlen.
Liebe Grüße, Julia