Viele Schlagworte der heutigen Zeit kamen in der Generation unserer Eltern oder Großeltern gar nicht vor. Um nur mal ein paar Beispiele zu nennen: Familienbett, Bindungs- und Bedürfnisorientierung, Time-in oder Langzeitstillen. Da wir heute i.d.R. anders mit unseren Kindern umgehen, kommt es im Zusammensein mit der Generation vor uns oft zu brenzligen Situationen. Teilweise herrscht großes Unverständnis, wie auf die Wut, Trauer, das Schreien, Toben, Wüten oder den generellen Protest der Kinder reagiert wird. So erzählten mir schon Freundinnen, ihre Mütter würden ihnen vorwerfen, dass sie ihre Kinder „nicht im Griff“ hätten oder die Kinder „nicht parieren“ würden. 😀

„Wenn der Kuchen spricht…“

Die Zeiten von „Wenn der Kuchen spricht haben die Krümel Pause“ oder „So lange du die Füße unter meinen Tisch stellst …“ sind weitestgehend passé. Am Familientisch wird rege diskutiert, Kinder werden dazu ermutigt, sich ihre eigenen Gedanken zu machen und Ideen zu teilen. Im Idealfall reagieren die Kleinen empathisch und rücksichtsvoll auf ihre Umgebung, sind aber nicht People-Pleaser durch und durch. Sprich: haben dennoch einen ausgeprägten Sinn für ihre eigenen Bedürfnisse und trauen sich auch, die zu äußern. Dass dabei der Weg das Ziel ist, nicht alles auf Knopfdruck funktioniert, Kinder Fehler machen (dürfen) und ihr Verhalten auch ganz viel mit Entwicklungsschritten zu tun hat, dafür bringen Eltern heute vermutlich deutlich mehr Verständnis auf als früher. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ wurde ersetzt durch „Das Gras wächst nicht schneller, nur weil man dran zieht“, „Druck erzeugt Gegendruck“ und „Jeder tut das Beste, was ihm in diesem Moment zur Verfügung steht.“

Was tun, wenn die konträre Erziehung für Konflikte sorgt?

Dass wir aufgrund anderer pädagogischer Ansätze, neuer Forschungserkenntnisse und sich stark verändernden gesellschaftlichen Umständen heute anders erziehen als früher, kann für unsere Eltern, Großeltern und sogar uns gänzlich fremden Personen manchmal schwer zu akzeptieren sein. Je nachdem WIE sich die Meinungsverschiedenheit äußert, birgt das Thema Kindererziehung.. ich sage mal vorsichtig „Konfliktpotential“. 😉 Mir geht´s heute gar nicht so sehr um inhaltliche Dinge. Weder möchte ich eine Lanze brechen für die aktuelle Generation Eltern, noch sagen „früher war Alles besser“. Ich fühle aber mit allen Mamas und Papas, die versuchen ihre Kinder individuell und einfühlsam auf Augenhöhe begleiten und dafür oft Gegenwind bekommen, weil sie scheinbar „die Grenzen nicht klar aufzeigen“, „nicht hart genug durchgreifen“ oder „die Kinder verweichlichen“. Je mehr ich mich mit dem Thema befasste, desto deutlich wurde mir:

Eigentlich geht´s um (unsere) Grenzen

Denn bei allem Respekt und der Wertschätzung für unsere Eltern/ ältere Generation: wir tragen die volle Verantwortung für unsere eigenen Kinder. Wir waren mal Beifahrer, aber jetzt sind wir der Captain und bestimmen über den Kurs unseres eigenen „Familienbootes“. Als Cycle Breaker stellt sich uns also nun die Frage:

„Wie kann ich mir selbst treu bleiben und meine Grenzen kommunizieren, ohne mein Gegenüber zu verletzen?“

An der Stelle gilt es zu unterscheiden..

Im Grunde genommen gibt es zwei unterschiedliche Typen: diejenigen, die es zwar früher anders gemacht haben, die aber grundsätzlich offen und interessiert daran sind herauszufinden, warum du heute so handelst wie du handelst. Und diejenigen, die eigentlich nicht offen sind, dafür aber sehr bewertend. Sie haben eine starke Überzeugung, von der sie nicht abweichen und sie möchten auch nichts Neues erfahren. Wie finde ich jetzt heraus, mit welchem der beiden Typen ich es gerade zu tun habe? Indem ich direkt frage. Das könnte sich beispielsweise so anhören:

„Papa, ich merke es fiel dir schwer dabei zuzusehen, wie ich neulich auf Annas Verhalten reagiert habe. Anna musste nicht auf ihr Zimmer gehen, ich verhänge keine Strafe und ich schimpfe sie auch nicht aus. Das ist ganz anders im Vergleich zu dem, wie du das damals gemacht hättest, oder? Es gibt einen Grund, warum ich mich ihr gegenüber so verhalte, interessiert er dich? Dann könnte ich dir einige Artikel schicken, wir schauen uns gemeinsam ein Video an (…).“.

Die meisten Eltern und Großeltern sind meiner Erfahrung nach durchaus an unseren Erziehungsmethoden und den Gedanken dahinter interessiert. Oftmals müssen sie einfach ihre Angst oder Scham verarbeiten, weil sie durch diese Situationen das Gefühl bekommen, ihre eigenen Kinder (also uns) falsch erzogen zu haben. In gewissen Bereichen stimmt das aus unserer Sicht ja insofern auch, als dass wir heute einige Dinge bewusst anders machen. Aber das ist der Lauf der Dinge und wird vermutlich auch uns irgendwann ähnlich gehen.

Reagiert dein Gegenüber auf deine „Einladung“ zum Perspektivenwechsel positiv, kann das der Beginn eines guten Dialogs sein. Oftmals eröffnen sich dadurch für alle Beteiligten völlig neue Welten. Im Übrigen würde das genauso andersrum funktionieren. Wenn ich als Mama/ Oma das Gefühl habe, mein erwachsenes Kind oder erwachsener Enkel geht gegenüber seinen eigenen Kindern gänzlich falsch um, kann ich auch höflich nachfragen, ob mein Sohn oder meine Tochter an meiner Meinung interessiert ist.

Aber was, wenn sie nicht interessiert sind an meiner Perspektive?

Das ist schade. Dennoch ist es mir an dieser Stelle wichtig zu sagen: du brauchst weder die Zustimmung deiner Eltern, noch deiner Großeltern, wenn es um die Erziehung EURER Kinder geht. Ihr seid eine junge Familie und DU bist jetzt der Fahrer. Du weißt, warum du so handelst, wie du handelst. Egal ob dein Papa damit einverstanden ist oder nicht: du darfst weiterhin deinen/ euren Kurs fahren. Und dabei darfst du von deinem Gegenüber auch Kooperation verlangen. Was das konkret bedeutet?

Keine ungefragten Ratschläge. Keine Bewertungen, egal welcher Art.

Damit meine ich verbal und nonverbal. Augenverdrehen, Seufzen oder spöttisches Ausstoßen gehören für mich persönlich auch zu den No-Gos. Die Entscheidung der Eltern, wie sie mit ihren eigenen Kindern umgehen, sollte in jedem Fall akzeptiert und nicht bewertet werden. Durch das Einmischen und Kommentieren geraten die Kinder zudem zwischen die Fronten. Am Ende wissen sie nie, zu wem sie halten sollen, es ist stark verunsichernd.

Ein paar Ideen, wie man auf ungefragtes Kommentieren reagieren kann

Es ist nicht immer so, dass das ungefragte Kommentieren einen Rahmen hergibt, in dem ein Dialog eröffnet werden kann. Teilweise kommen übergriffige Sätze ja bspw. auch von Passanten oder entfernten Bekannten. Reagiere nicht defensiv, denn du musst dich keinesfalls verteidigen. Hier drei Möglichkeiten, was du sagen könntest wenn du in entsetztem Tonfall hörst

„Hast du gesehen was dein Sohn da gerade gemacht hat?????“

(wir setzen voraus, dein Sohn greift gerade kein anderes Kind an 😉 , sondern macht einfach nur etwas, was deinem Gegenüber offensichtlich nicht ganz so gut gefällt und was er früher „niemals zugelassen hätte“.)

1. „Ja, habe ich“ – PUNKT. 🙂 In einem ganz ruhigen, freundlichen Ton. Botschaft: das ist mein Tanzbereich, das ist dein Tanzbereich. Gilt nicht nur, wenn Johnny und Baby Mambo tanzen.

2. „Dafür hat er meine Erlaubnis“. Botschaft: Ich habe keinerlei Verpflichtung, mich vor dir/ Ihnen zu erklären.

3. „Er ist sicher./ glücklich./ hat Spaß.“, was auch immer eure Werte sind. Unterstütze das Verhalten deines Sohnes durch deine/ eure Werte. Let your values do the talking.

Liebe Grüße

Julia