An diesem Post werkel ich eigentlich ewig schon immer mal wieder rum, aber gestern Nacht kam mir dann der Gedanke, dass der im Moment echt hilfreich für euch wäre. Solltet ihr zum Lesen kommen. 😉 Kitas und Kindergärten sind zu, wir igeln uns (hoffentlich!!) zu Hause ein und haben die sozialen Kontakte runtergeschraubt. Als Familie sind wir nonstop zusammen, alle Geschwister auf einen Haufen. I love it, ehrlich gesagt. Und gleichzeitig ist das natürlich auch super anstrengend, vor allem, wenn die beiden sich streiten. Hier kommt Dr. Laura Markham ins Spiel.

Ihre Message ist im ersten Moment ein No-Brainer, dennoch hatte ich bei ihrem Q & A einen AHA-Moment nach dem nächsten. Ihren Namen nie gehört? Ich vorher auch noch nicht. Dr. Markham hat an der Columbia Psychologie studiert, ist Buchautorin (klick) und arbeitet als Parenting Coach. Bei Youtube entdeckte ich ihr Video über Geschwister – Rivalität. Sie hat eine – sagen wir mal – etwas spezielle Art 😉 , aber inhaltlich traf sie bei mir voll den Nerv.

Am liebsten hätte ich das Video schon vor Emmys Geburt gefunden, denn einige Weichen hätte ich wahrscheinlich noch früher stellen können. Aber… besser später als nie. 🙂 Für die neuen Leser: unsere Kinder haben fast auf den Tag genau drei Jahre Altersabstand. 

Kommt Geschwister Rivalität bei uns vor? Am Anfang gar nicht, dann nahm sie zu, nun geht sie wieder zurück. Bzw. die Dynamik verändert sich permanent. Emilia entwickelt ihre Persönlichkeit immer mehr (und von der hat sie jede Menge), fordert Bedürfnisse ein (dito ^^). Sie ist echt ein zuckersüßes, vehementes kleines Ding. Wenn sie an Nikis Spielsachen ran will, macht sie oft was kaputt, das er liebevoll aufgebaut hat. Es gab Tage, da hörten wir wahrscheinlich an die 20 Mal ein schroffes „nein Emmy, das ist meins“, gefolgt von einem beherzten Schubser – oder er riss ihr das Spielzeug direkt aus der Hand und gab ihr eine Kopfnuss. Ich kann jetzt besser verstehen, warum Niki sich in manchen Situationen so und so verhält und was ich tun kann, um das Verhältnis der beiden weiter zu verbessern.

Das ist Neuland für mich und gerade als Einzelkind hat man einen signifikanten Nachteil, finde ich, weil man das Zusammenleben mit Geschwistern einfach nicht kennen gelernt hat. Es fällt mir teilweise unheimlich schwer, nachzufühlen, wie es den beiden geht, weil ich mich nunmal nur theoretisch mit Geschwistern und deren Dynamik auseinander gesetzt hab.

Hätte ich das Video nicht gesehen, wäre ich vielleicht gar nicht auf die Idee gekommen, dass manche Muster und Methoden evtl. kurzfristig zum gewünschten Ergebnis führen, auf lange Sicht aber nicht effektiv und/oder hilfreich sind. So bspw. die Aufforderung an die Geschwister, wenn man schnell aus dem Haus muss (ihr merkt, der Post ist vorbereitet, denn schnell aus dem Haus müssen ist gerade nicht so präsent HA) „na, wer von euch beiden kann sich schneller anziehen?“. ´Hä, was ist daran jetzt schlecht?´, mag sich der ein oder andere nun denken. Ich erzähl´s euch gleich. Hier ein kleiner Wegweiser für ein entspannteres, liebevolleres und empathischeres Miteinander eurer Kinder nach Dr. Laura Markham:

1 // Keep calm, das hier ist kein Notfall

Uns als Eltern in – sagen wir mal – starken emotionalen Erregungszuständen unserer Kinder selbst zu regulieren, ist nach Dr. Laura Markham unsere Hauptaufgabe. Merken wir also, dass unser Herz zu Rasen beginnt, wir kurzatmig werden und zittrig, dann sollen wir diese Gefühle nicht unterdrücken, sondern in erster Linie wahrnehmen. Nehmen wir an, ein Geschwister Streit sieht so aus: ein Kind hat dem anderen eins übergezogen und das brüllt nun schrill wie eine Sirene. Häufig setzt der Impuls ein, JETZT SOFORT etwas machen zu müssen. Maßregeln, Schreien, Schimpfen, Bestrafen, Ausrasten, was auch immer. Aber: das hier ist kein Notfall. Und wenn wir wütend sind, treffen wir i.d.R. keine klugen Entscheidungen. Deswegen am besten zehn Mal ganz tief durchatmen und in sich reinhören. „WOW, ich bin wirklich wütend“ – das müsst ihr euch gar nicht nur denken, es darf ruhig ausgesprochen werden. Wenn nötig könnt ihr den Raum verlassen, es ist aber auch kein Problem, „Wutmanagement“ vor den Kindern zu praktizieren. Schließlich erleben sie dadurch, wie Wut gesund abgebaut wird. Wütend zu sein ist selbstverständlich in Ordnung, es geht aber darum, wie man mit ihr umgeht.

Was passiert, wenn ihr euch für einen Moment rauszoomt: die Wut wird kleiner und ihr könnt somit eine umsichtigere, intelligentere Entscheidung treffen. Jetzt kommt euer individuelles Mantra ins Spiel. So zum Beispiel:

„Meine Kinder finden im Moment noch nicht die richtigen Worte und brauchen deswegen meine“.

Das Mantra hat mich so spontan angesprochen. Sagt euch eures vor, laut oder in Gedanken.

Dieser Punkt ist recht „symptomatisch gehalten“, denn ich will in dem Post nicht zu sehr ausufern. Essentiell ist grundsätzlich, dass ihr eure Trigger erkennt und Verantwortung für sie übernehmt. Euch mit ihnen auseinander setzt, sie im besten Fall löst und nicht das Verhalten eurer Kinder als Legitimation dafür benutzt, dass IHR so aus der Haut fahrt. Das ist ein Buch für sich. Und das hat auch schon jemand geschrieben. *g* Meine Nachbarin hat es mir geliehen und es hat mein Leben verändert (not kidding). Ich kann es euch aus tiefster Überzeugung ans Herz legen, es ist dieses von der tollen Bloggerin Jeannine Mik (von Mini and Me) und der Psychologin Sandra Teml-Jetter.

2 // Der Umgang mit negativen Emotionen

Man kann seine Geschwister sehr lieben, ihnen gegenüber aber dennoch auch negative Gefühle empfinden. Es ist legitim und vollkommen normal, zu einer Person mehr als nur eine Emotion zu haben. So fühlt jeder, so geht es jedem und genau diese Botschaft brauchen unsere Kinder. Beziehungen sind manchmal schwierig – that´s life.

Nur weil auch Frust da ist, Wut, Trauer, Aggression usw., sind unsere Kinder keine schlechten Menschen. Ambivalente Gefühle gehören dazu – so ist das, manchmal ist es eben kompliziert. Die negativen Gefühle unserer Kinder sollten wir also nicht klein oder schlecht reden. Stattdessen wahrnehmen, akzeptieren, daran arbeiten und – weitermachen. 

3 // Nicht den Richter spielen

Es ist uns als Eltern nicht möglich, den ganzen Kontext zu erfassen. Wir wissen schließlich nicht, was gestern oder vorgestern war („da hat sie aber meinen Traktor angeschaut“). Deswegen können wir die akute Situation überhaupt nicht in ihrer Ganzheit bewerten. Und stellt euch vor: das ist auch gar nicht wichtig. Denn was passiert, wenn ihr euch auf die Seite eines Kindes stellt? Ihr stärkt demjenigen den Rücken. Es fühlt sich stark, euer anderes Kind fühlt sich schwach. „Mama liebt ihn mehr“. So etwas kann der Ursprung von Geschwister Rivalität sein. Viel wichtiger:

Get to the root.

Was steckt hinter dem Streit, worum geht es den Kindern? Ja gut möglich, dass der Große gerade seinen kleinen Bruder gehauen hat. Er hatte dafür einen Grund (den haben sie in ihrer Welt immer!! Ohne Ausnahme.) und so lange ihr den nicht erkennt (erkennen wollt?) und gemeinsam eine Lösung erarbeitet, grüßt vermutlich täglich das Murmeltier. Mehr dazu unter Punkt 5.

4 // Konkurrenzkämpfe vermeiden

Konkurrenz unter Geschwistern soll unbedingt minimiert werden. Ein Step in diese Richtung ist Punkt 3. Auch Vergleiche zwischen euren Kindern sind für ein entspanntes Verhältnis ohne Konkurrenzdruck nicht hilfreich. 

Stattdessen können wir den Teamgedanken unserer Kinder stärken. Dr. Markham plausibilisiert das anhand mehrerer Beispiele:

– Beispiel 1 –

Nehmen wir an, zwei Geschwister empfinden sich schon als Rivalen und es geht stets darum, wer besser, geschickter, größer usw. ist. So auch beim Anziehen der Schlafanzüge. Der Schnellere ruft also voller Stolz „ich war zu-eeeeerst“. Wir als Eltern könnten jetzt sagen: „oh super, du hast deinen Schlafanzug schon an!“ – zum anderen Kind gewandt – „und du auch! Wie toll, das freut mich“. 

Vermutlich wird der Eine nicht locker lassen und rufen „aber ich war viiiiiel schneller Mama“. Eine gute Antwort darauf wäre (in einem besonders liebevollen, erfreuten Ton): „wisst ihr was mir wichtig ist? Dass ihr es beide geschafft habt. Ihr seid Geschwister, ihr respektiert einander und kümmert euch umeinander, das zählt für mich. Ihr habt beide euren Schlafanzug an, das finde ich spitze. Los, lasst uns zwei Bücher aussuchen“.

– Beispiel 2 –

Ihr seid auf dem Weg zum Arzt und wisst, im Gebäude gibt es einen Fahrstuhl. Ihr wisst auch, dass es gerne Streit darum gibt, wer zuerst den Knopf drücken darf. In solchen Momenten ist es hilfreich, schon vorab im Auto über die Situation zu sprechen (zur Kommunikation komme ich gleich noch). Nicht darüber, wer den Knopf zuerst drücken darf. Denn was impliziert das? Ja, einer ist nicht zuerst. Besser ist es, ein Kind darf beim Hochfahren Drücken, das andere beim Runterfahren. Oft sind es echt die Feinheiten und das, was zwischen den Zeilen steht.

Konkurrenzkämpfe können wir am besten in etwas transferieren, das die Kinder gemeinsam als Team miteinander ausmachen müssen.

Und zwar so, dass jeder zufrieden ist (siehe Punkt 5).

– Beispiel 3 –

Den Großen habt ihr an der Hand, die Kleine liegt im Kinderwagen und schaut friedlich raus. Eine dritte Person guckt in den Wagen und sagt „ach nein ist die Kleine herzig. Und so brav! Da haben sie aber ein Glück.“ Das ältere Geschwister Kind fühlt sich vermutlich unsicher und missachtet. Ihr könntet antworten „ja, meine Kinder sind beide ganz toll und ich bin wahnsinnig stolz auf sie.“

5 // Kommunikationsfähigkeiten entwickeln

Unstimmigkeiten treten zwischen Geschwistern nunmal auf. Schlagen Kinder bspw., dann haben sie in diesen Momenten schlichtweg (noch) nicht die richtigen Worte gefunden. Was können wir also bei einem (handfesten) Geschwister Streit tun, wenn wir, wie bei Punkt 3 geschrieben, nicht den Richter spielen sollen? Wir geben ihnen Kommunikationsfähigkeiten an die Hand und spielen Mediator. Weil ich das definitiv nicht besser erklären kann als Dr. Markham, füge ich an dieser Stelle ein Video ein, das ich euch sehr ans Herz legen kann:

Kinder möchten immer nur verstanden werden, auch wenn uns das in vielen Situationen schwer fällt. Sie schlagen z.B. NIE „einfach so“ – irgendetwas steckt immer dahinter (auch wenn es uns noch so trivial vorkommt). Bringen wir ihnen Kommunikationsfähigkeiten bei, dann ziehen wir Menschen groß, die nach Lösungen suchen. Haben die Geschwister es geschafft, den Konflikt mit Worten zu klären, tut unser Feedback gut:

„Man, das habt ihr echt spitze gemacht! Es gibt keinen Gewinner und keinen Verlierer, ihr seid einfach ein tolles Team“. 

6 // Exklusiv-Zeit verbringen

Über die Wichtigkeit, mit Kindern exklusiv Zeit zu verbringen, habe ich in diesem Post schon geschrieben, auch wenn es da hauptsächlich um den Großen ging. Je älter sie werden, besonders wenn vormittags wegen Kiga, Schule & Co. alle Kids aus dem Haus sind, desto wichtiger wird es, sich im Idealfall eine halbe Stunde pro Tag mit jedem Kind alleine zu beschäftigen.

Wahrscheinlich habt ihr ohnehin das Bedürfnis, euch exklusiv ohne Ablenkung um eure Kinder zu kümmern, deswegen empfinde ich es nicht als strategisch zu sagen: wenn Kinder sich gehört, gesehen und geliebt fühlen, haben sie weniger Bedürfnis, miteinander zu konkurrieren.

In der halben Stunde, die ihr mit nur einem Kind verbringt, übernehmt ihr am besten nicht die Führung, sondern nehmt euch so weit zurück, wie es euch möglich ist. Hauptsächlich geht es um euer Feedback.

7 // Lernen, Bedürfnisse der Anderen wahrzunehmen

Kommt ein Baby in die Runde, ist das natürlich erstmal verunsichernd für den Erstgeborenen und er erlebt eine „Entthronung“. Es fällt ihm leichter zu akzeptieren, dass da nun ein Geschwister ist, wenn er merkt, dass er eine große Rolle spielt und nicht abgeschrieben wurde. Für uns als Eltern ist es wichtig, die Großen von Anfang an erleben zu lassen, dass das Baby ein Mensch ist mit eigenen Gefühlen und Bedürfnissen. Weint die Kleine, könnten wir z.B. zu Niki sagen:

Oh, Emmy weint, es geht ihr wohl nicht gut. Was denkst du könnte ihr helfen, was meinst du braucht sie?

Das mag jetzt ziemlich trivial klingen, aber ich halte es mit für einen der besten Tips. Wenn Kinder dazu in der Lage sind zu erkennen, wie es anderen Menschen geht, werden sie zu umsichtigen Erwachsenen (lässt sich auch gut anhand von Gesichtsausdrücken in Büchern bspw. trainieren). Das Baby mag hilflos sein, sich kaum mitteilen können, in der ersten Zeit viel kaputt machen und dadurch für Frust sorgen. Aber es ist ein Mensch, hat Gedanken und Gefühle und die gilt es von Anfang an zu erkennen und darauf einzugehen. Was wir dabei natürlich unbedingt vermeiden müssen, sind Belehrungen. Es geht wirklich um das Miteinbeziehen.

Was in dem Zusammenhang wichtig ist: Empathiefähigkeit ist etwas, das mit der Entwicklung des kindlichen Gehirns zu tun hat. Sie kann zwar von Kindern auf der kognitiven Ebene ausgeführt werden (antrainiert sozusagen), aber sie wird erst dann gefühlt und echt sein, wenn das Kind die geistige Reife dazu hat. Meist ist das der Fall zwischen dem 4. und 5. Geburtstag.

Wir schaffen das, bleibt bitte alle gesund ! 🙂

Julia